Pferd als Therapietier

Heute gibt es unterschiedliche Bereiche des therapeutischen Reitens, in denen das Pferd als Co-Therapeut mitarbeitet. Aus medizinischer Sicht sind dies ergotherapeutische Behandlungen und die Hippotherapie – die Krankengymnastik auf dem Pferd. Außerdem gibt es die pferdegestützte Pädagogik und Psychologen setzen das Pferd im psychotherapeutischen Kontext ein. Alle Therapien nutzen die Bewegungen, die beim auf dem Pferd sitzenden Menschen entstehen sowie die Beziehung, die beide zueinander aufbauen. Ich stelle euch die Hippotherapie einmal genauer vor.

Wirkung durch Bewegung

In der Hippotherapie sitzt der Patient auf dem im Schritt geführten Pferd. Das Pferd überträgt seine Bewegungen über den Rücken auf den Menschen. Bei ihm kommen Impulse an, die Bewegungen in seinem Körper auslösen. Diese entsprechen ab der Hüfte bis zum Kopf aufwärts dem Bewegungsablauf beim Gehen. Darum wird die Therapie besonders häufig von Kindern und Erwachsenen in Anspruch genommen, die an Bewegungsstörungen leiden. Diese reichen von einfacher Unbeholfenheit und Gleichgewichtsstörungen bis hin zu steifen Gelenken. Der Ursprung kann dabei im Nervensystem oder im Bewegungsapparat liegen.

Sehr unterschiedliche Beschwerdebilder lassen sich durch die Therapie positiv beeinflussen. Dies sind z. B. Störungen der Hirnentwicklung (CP), Zustand nach einer Hirnhautentzündung, Lähmungen oder Multiple Sklerose. Auch Menschen mit Down-Syndrom oder einer Autismus-Spektrum-Störung, die sich auf den Bewegungsapparat auswirkt, sowie Fehlbildungen der Hüfte profitieren häufig.

Entspannung, Gleichgewicht und ganz viel Glück

Die Ziele der Hippotherapie sind für die Patienten ein Ausgleich der Muskelspannung, die Schulung von Gleichgewicht und Koordination sowie die freie Beweglichkeit der Gelenke. Günstige Nebeneffekte sind zusätzlich die Förderung von Bereichen wie Konzentration, Motivation und Aufmerksamkeit.

Auch das Selbstwertgefühl steigt oft, wenn man auf dem Pferd sitzt. Die veränderte Perspektive beim Sitzen auf dem Pferd ist für viele ein Genuss, z. B. für Patienten, die auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen sind.

Die 7-jährige Toni, die an einer Erbkrankheit leidet, schwärmt: „Ich bin geritten auf der Marée, dann denkt man, man ist riesengroß.“ Kinder wie Toni erleben mit dem Pferd glückliche Momente, die ihnen und ihren Eltern Mut machen. Für Tonis Mutter ist es ein großes Geschenk: „Es ist einfach schön anzugucken, wie Toni hier aufblüht und ihren Spaß hat.“

Vertrauen zwischen Mensch und Pferd

Der wichtigste Mitarbeiter in der Hippotherapie ist das Pferd. Das Sitzen auf dem Pferd mit seinem raumgreifenden Schritt ist sehr angenehm. Außerdem ist sein ausgeglichenes Temperament von Bedeutung. Es soll aufmerksam, arbeitswillig und interessiert sein. Hier kommt der Beziehungsaspekt der Therapie zum Tragen. Strahlt das Pferd diese Eigenschaften aus, gibt das dem Patienten ein Gefühl des Vertrauens und der Sicherheit. Und je vertrauensvoller er sich auf das Pferd einlassen kann, desto einfacher fällt es, die Muskulatur bewusst und unbewusst zu entspannen und loszulassen.

Im besten Fall entsteht eine Therapiestunde, die gar nicht als solche wahrgenommen wird, sondern Mensch und Tier in Wohlbefinden zusammenbringt.

Ein Beitrag von:
Dr. med. Sigrun Kapp

Ärztin und Hippotherapeutin (DKThR)

Erbacher Str. 51
64380 Roßdorf