Eine bunte Mischung aus Leben und Arbeit

Britta öffnet mir die Tür, im Flur hängen überall Kinderfotos an den Wänden. „Das sind alle Tageskinder, die bei mir waren“, erzählt sie. Dazwischen Bilder ihrer eigenen drei mittlerweile erwachsenen Kinder. Wir laufen an der farbenfrohen Kindergarderobe und dem kleinen Bänkchen zum Schuhe anziehen vorbei ins Wohn-, Ess- und Spielzimmer. Hier stehen Triptrapstühle rund um den Esstisch, im Spielbereich fällt mein Blick gleich auf ein großes Parkhaus neben unzähligen Büchern und Spielen in der anderen Ecke des Raumes. Auf dem kleinen Tisch neben der Hüpfmatratze liegt ein angefangenes Puzzle, auf dem Herd der Kinderküche steht noch ein Topf mit einer „gekochten“ Erdbeere aus Filz darin. Katze Lilli schmust um meine Beine. Das sieht nach Leben aus. Es ist gemütlich, wir setzen uns und Britta erzählt mir von von dem Beruf, den sie liebt.

Wie bist du dazu gekommen, Tagesmutter zu werden?

Ich bin mit 22 Jahren selbst Mutter geworden und konnte dadurch nicht mehr als Kinderkrankenschwester arbeiten. So bin ich auf die Idee gekommen und hatte dann seit 1987, während meine drei eigenen Kinder noch klein waren, immer ein oder zwei Tageskinder. Später kam eine längere Pause als ich in Betreuungseinrichtungen gearbeitet habe. Dabei habe ich gemerkt, dass es mir viel mehr Spaß macht, zu Hause mit einer kleinen Gruppe von Kindern zu arbeiten und den Tagesablauf selbst bestimmen zu können. Zurzeit sind es fünf Kinder, die täglich bei mir sind. Das ist auch die Höchstmenge für eine Tagesmutter.

„Sie sind in dem Alter noch so echt und spielen einem nichts vor. Sie sind einfach wie sie sind, und das finde ich toll.“

Außer diesem Freiraum in der Tagesgestaltung – was magst du noch an deinem Beruf und was ist das Schönste für dich am Tagesmutter sein?

Das Begleiten der Kinder, zu sehen, wie sie sich weiterentwickeln, wie sie alles Mögliche lernen. Die Entwicklung in diesen zwei Jahren ist enorm, da passiert wahnsinnig viel. Sprechen lernen eröffnet Welten. Ich finde das so spannend und es macht mich sehr glücklich, die Kinder dabei zu unterstützen. Und es macht mich jeden Tag stolz, dass diese kleinen Kinder mir so vertrauen. Juna zum Beispiel ist diese Woche schlimm gestürzt. Dass sie dann zu mir kommt und sich von mir trösten lässt, sich sicher fühlt bei mir, das ist so wichtig für die Kinder. Dazu braucht es dieses Vertrauen. Sie sind in dem Alter noch so echt und spielen einem nichts vor. Sie sind einfach wie sie sind, und das finde ich toll.

Welche Vorteile für die Familien siehst du gegenüber einer Kita-Betreuung?

Für diese sehr junge Altersgruppe finde ich es schöner, in einer familienähnlichen Umgebung in einer kleinen Gruppe mit nur einer festen Bezugsperson zu sein. Man kann so sehr gut auf jedes Kind eingehen. Wenn Ida so furchtbar gerne nochmal „ganz kurz raus zum Hüpfen“ will, können wir das einfach machen. Die flexibleren Betreuungszeiten sind auch ein Vorteil für die Familien. Nachteilig für die Eltern ist, wenn die Tagesmutter krank ist. Es gibt in der Regel keine Vertretung, wobei das gerade im Kommen ist.

Man hört immer mal Bedenken, dass Tagesmütter keinen Austausch mit KollegInnen haben. Wie siehst du das?

Wir haben keinen täglichen Austausch, ja, das stimmt. Hier in Umstadt sind wir Tagesmütter über eine WhatsApp Gruppe miteinander vernetzt, außerdem treffen wir uns regelmäßig und sprechen über unsere Arbeit mit den Kindern. Wir sind auch viel mit den MitarbeiterInnen der Fachberatung der TTV (Tageselternvermittlung) in Kontakt. Man kennt sich und sie sind auch sehr hilfreich und jederzeit erreichbar für uns, wenn man mal Unterstützung oder Rat braucht. Zum Beispiel, wenn es bei einem Kind in der Eingewöhnung stockt.

Was ist denn aus deiner Sicht für die Kinder in diesem Alter besonders wichtig?

Offene Arme, eine Struktur im Tag, die Sicherheit gibt. Ein stabiler Rahmen mit Ritualen, innerhalb dem sie sich aber auch frei bewegen können. Ich mache keine Wochenpläne, schaue jeden Tag neu, was die Kinder gerne machen wollen.

Wie sieht denn so ein Tag bei euch aus?

Wir frühstücken, dann singen wir im Morgenkreis und gehen danach raus. Entweder in den Garten Trampolin hüpfen, schaukeln oder Seifenblasen machen. Worauf sie gerade Lust haben. Wenn Jano morgens schon beim Bringen sagt „Nein Britta, Bootfahren!“, werden wir an diesem Vormittag vermutlich alle nass. Dann bauen wir die große Wasserbahn auf und lassen Bootchen darin fahren. Wenn wir Lust haben, gehen wir auf den Spielplatz, manchmal in den Wald. Das lieben die Kinder. Da können sie viele Sachen entdecken unter den Steinen und Hölzern und auf umgekippte Bäume klettern. Bei schlechtem Wetter spielen wir drin, malen, lesen, bauen Lego oder machen Musik mit dem Glockenspiel. Die Kinder entscheiden aus der Situation heraus selbst, was sie machen wollen.

„Ich finde das so spannend und es macht mich sehr glücklich, die Kinder dabei zu unterstützen.“

Das hört sich nach einer Menge Spaß an. Welche Voraussetzungen sollte man mitbringen, um Tagesmutter oder Tagesvater zu werden?

Am allerwichtigsten ist es, dass einem das Zusammensein mit den Kindern wirklich Freude macht und etwas gibt. Flexibilität ist ganz wichtig, Geduld und viel Einfühlungsvermögen. Das Alleinsein mit den Kindern muss man auch wollen. Wir Tagesmütter sind zwar gut vernetzt, aber bei der täglichen Arbeit hat man keinen Austausch mit KollegInnen. Ganz wichtig ist es auch, dass die eigene Familie dahintersteht, weil die Kindersachen ja in den eigenen Räumen viel Platz einnehmen, auch nach Feierabend. Und die Räume müssen kindersicher gemacht werden, zum Beispiel mit Treppen- und Herdschutzgitter und ein Zaun für den Garten.

Und wie war das mit der Ausbildung zur Tagesmutter bei dir?

Ich habe 2012 die Grundausbildung absolviert. Das begann mit einer Art Vorstellungsgespräch in der Tageseltern Tageskinder Vermittlung (TTV) und dann habe ich etwa über ein halbes Jahr die 150 Stunden Grundqualifizierung gemacht. Das ist heute umfangreicher. Zum Ende dieser Ausbildungszeit kam jemand von der TTV zu mir nach Hause, wir haben besprochen, wie ich arbeiten möchte und wie die Räume auszusehen haben.

„Ich mache keine Wochenpläne, schaue jeden Tag neu, was die Kinder gerne machen wollen.“

Du sagst, die Ausbildung ist heute umfangreicher. Was hat sich geändert?

Jetzt sind es im Landkreis Darmstadt-Dieburg doppelt so viele Unterrichtseinheiten (300 Stunden) und zusätzlich ein Praktikum bei einer Tagesmutter und ein Praktikum in der Kinderkrippe*. Das finde ich auch gut, da kann man sich bestimmt viel rausziehen. Auch regelmäßige jährliche Fortbildungen sind Pflicht, die finde ich auch sehr hilfreich und sinnvoll. Dieses Jahr habe ich zum Beispiel einen Kurs zum Thema „Gewaltfreie Kommunikation“ gemacht.

Wie ist denn die Nachfrage der Eltern? Hast du schon eine Warteliste fürs kommende Jahr?

In Groß-Umstadt sind wir aktuell neun Tagesmütter. Das ist zu wenig an Angebot, auch im Krippenbereich. Ich bekomme häufig Anfragen von Eltern und sogar noch schwangeren Frauen und muss absagen. Ich finde es schade, wenn man, schon bevor das Kind überhaupt geboren ist, die Betreuung anmelden muss. Daher kann ich es nur jedem empfehlen, die Tagespflegeausbildung zu machen – wenn die eigenen Voraussetzungen stimmen. Der Bedarf ist auf jeden Fall da.

*Ausbildungsstandards sind im Odenwaldkreis anders, siehe www.awo-odenwald.de

Infos zur Ausbildung Kindertagespflege

Für den Odenwaldkreis

AWO Kreisverband Odenwaldkreis e. V.
Dorothee Klein
Kindertagespflegebüro für den Odenwaldkreis
Kellereibergstr. 4 · 64720 Michelstadt

Bewerbungsschluss für die nächste Ausbildungsrunde ist der 5.9.2022.

06061-94 23 23
d.klein@awo-odenwald.de

Informationen & Bewerbungsunterlagen unter:
www.awo-odenwald.de/tagespflegeinteressenten

Für den Landkreis Darmstadt-Dieburg

Info-Veranstaltungen:
Do 13.10.2022, 18-20 Uhr,
Ort: Kreishaus Kranichstein
Do 8.12.2022, 18-20 Uhr,
Ort: online

06151-881 14 37
jugendamt@ladadi.de
www.ladadi.de/kindertagespflege