Eine bärtige Nikolausfigur an der Hofeinfahrt weist uns den Weg. Über eine Treppe und die Laderampe geht’s in Richtung Werkverkauf. Da kommt uns Helmut Gräber bereits grüßend entgegen. Er ist der Herr dieser kleinen Traumfabrik, die nach dem Großvater benannt ist. Unter seiner roten Schürze wölbt sich ein kleiner Bauch. Der sollte einem Zuckerbäckermeister aber auch wirklich gegönnt sein.

Schwerster Nikolaus wiegt zweieinhalb Kilo

„Schokolade ist eigentlich ein Grundnahrungsmittel“, davon ist Gräber überzeugt. „Kohlenhydrate, Fett, Eiweiß – das alles braucht der Körper.“ Er führt uns in die Verkaufsstube: In den Regalen stehen zahllose Schoko-Nikoläuse in Reih und Glied: kleine und große, solche mit und ohne rote Schleife. Der Boss der süßen Mannschaft ist ein 2,5 Kilogramm schweres Exemplar – ein gern gekauftes Firmenpräsent. In den Körben daneben drängen sich Tüten voller Butterplätzchen, Kokosmakronen, Magenbrot und Spritzgebäck, Schokoladenbruch – und natürlich Lebkuchen in allen Varianten.

Odenwälder Lebkuchen ohne Zuckerguss

Die gibt es in Form von Sternen, Herzen, Teddys und Rechtecken. Goldbraun gebacken, sehen sie zum Anbeißen lecker aus. Wer aber üppig dekorierte Lebkuchen sucht, wird hier nicht fündig. „Der Odenwälder Lebkuchen kennt keinen Zuckerguss“, erklärt uns Helmut Gräber, der nebenbei mit glühendem Interesse Heimatforschung betreibt. Mal eine Mandel oder ein papiernes Nikolaus-Motiv – mehr Deko ist nicht. So will’s die Tradition. Die hiesigen Lebkuchen sind eben eine ganz eigene Spezies, ganz anders als ihre Nürnberger und Aachener Verwandten. Darauf ist man hier stolz.

Märchenhafte Backstube

Und so werden die Lebkuchen und Plätzchen auch heute noch nach Großvaters Rezepten gebacken: „Ich setze kein Aroma zu, arbeite nicht mit Farbstoff oder Konservierungsmitteln,“ so Gräber. „Das ist unsere Philosophie. Und die wollen wir nicht ändern.“ Vom Verkaufsraum können Kunden durch ein Fenster direkt in die Backstube blicken: Riesige Bottiche voller Teig stapeln sich da, scheinen schier überzuquellen. Daneben rotiert eine überdimensionale Knetmaschine und dampft ein gigantischer, knallgrüner Ofen, der in jede Hänsel-und Gretel-Inszenierung passen würde. Kinder, das ist wie im Märchen! Der Ofen läuft ab September auf Hochtouren.

Träume aus Schokolade

„Wollen Sie mal in die Schokoladenproduktion reinschauen?“ fragt Gräber. Aber sicher wollen wir das! Am Eingang zur Halle türmen sich Säcke mit Zucker, Vollmilchpulver und Kakaobohnen im XXL-Format. Wie beiläufig erfahren wir, dass die Fabrik eine der letzten im Lande sei, die ihre Schokolade ab der Kakaobohne bis hin zur verpackten Tafel komplett selbst produziert. Alle Achtung.
Die Produktionshalle selber steht voller weiß lackierter Maschinen-Kolosse, dazwischen Holzschränke und Handwaagen von früher. „Viele Maschinen sind älter, aber gut!“ Regelmäßig würden sie gewartet und funktionierten bestens. Da gebe es keinen Grund, neue anzuschaffen. An der Decke erkennen wir ein verwinkeltes Rohrsystem: Flüssige Schokolade fließt da hindurch!

Ruprecht im Roller Coaster

Wie in einem Malatelier sitzen zwei Frauen an einem Tisch und pinseln weiße Schokolade in Nikolaus-Förmchen: die Bärte, Mützen und Mantelaufschläge. Durch diese aufwändige Handarbeit wird jeder der Schoko-Männer zum Unikat. Ist die „Farbe“ angetrocknet, wandern die Formen zur nächsten Station: einem wuchtigen Apparat, der jeweils einen kräftigen Plopp flüssiger Schokomasse hineinfallen lässt. Beim Verarbeitungsschritt, der jetzt folgt, geht’s rund: Die Nikolausförmchen werden in eine Metallhülle gesteckt und auf eine laut rumpelnde Maschine gesetzt, deren Arme in alle Richtungen kreisen. Gleich einem Fahrgeschäft auf dem Rummelplatz wirbeln die Nikoläuse jetzt um die eigene Achse. Logisch: Die Schokolade soll sich ja verteilen, während im Inneren ein Hohlraum entsteht. Nach der wilden Tour dürfen Ruprechts Knechte zur Abkühlung in den Kältetunnel, bevor sie endlich aus ihrer Behausung befreit werden und ihren Weg zu den Regalen der Süßwarengeschäfte aufnehmen können.

Wilhelm Eberhardt

Back- und Schokoladenfabrik e. K.
Helmut Gräber
Schwimmbadstraße 3
64385 Reichelsheim-Beerfurth

Werkverkauf:

Anfang September bis Weihnachten
Mitte Februar bis Ostern
Mo bis Fr 8.00-12.00 Uhr und 13.30-18.00 Uhr
Sa 8.30-15.00 Uhr

T (06164) 2231