Lösung für das Platzproblem
So weit, so gut. Als aber Corona übers Land zu fegen begann, wurde das beschränkte Platzangebot zu einem echten Problem. Denn es war fast unmöglich, die Kinder der vier Gruppen sicher voneinander zu trennen – und sie vor potenziellen Infektionen zu schützen. „Das Risiko wurde im letzten Winter einfach zu groß“, erinnert sich Stephanie Lang, Amtsleiterin der Kindertagesstätten in Michelstadt. „Da haben wir als Träger gesagt: So geht’s nicht weiter.“ Was also nun? Gemeinsam mit Kita-Leitung und Elternbeirat wurden alle Möglichkeiten durchdacht – und eine unkonventionelle Lösung gefunden: Seit Januar 2021 fliegt je die Hälfte der Bienen-Kinder aus auf ein ausgedehntes Waldgelände rund ums örtliche CVJM-Freizeitcamp und den Ponyhof. Und wöchentlich wird gewechselt.
Eltern, Pädagogen und Kids betreten Neuland
Nun ist der Wald für Kita-Leiterin Heidi Birkenstock kein unbekanntes Terrain. Als sie den Bienenschwarm vor vier Jahren übernahm, brachte sie viele Jahre Waldkita-Erfahrung und noch mehr Leidenschaft für die Naturpädagogik mit. Trotzdem waren die Herausforderungen enorm. „Wir haben das unter schwierigsten Bedingungen umgesetzt“, erzählt die Pädagogin. Immerhin war es draußen mal klirrend kalt, mal eklig nass. Die Kinder brauchten warme Matschhosen. Die Fahrt zum Treffpunkt musste organisiert werden. Und dann waren da all die Vorbehalte: seitens der Eltern, die ja keine Waldkita gebucht hatten. Und auch im Erzieherteam überwog zunächst die Skepsis. Wie es dann letztlich doch gelungen ist, viele von der Idee der „Outdoor-Kita“ zu überzeugen? „Da war und ist bis heute sehr viel Begleitung notwendig“, sagt Birkenstock. Persönliche Gespräche, Aufklärung und Informationen seien das A und O.
Freiheit im Wald fördert die Entwicklung
Die meisten Kinder dagegen waren gleich Feuer und Flamme – und schwärmten zuhause schon bald von ihren Waldabenteuern. Erzählten, wie sie aus Holzscheiten Püppchen bastelten, Boote auf dem Bach schwimmen ließen. Oder von erstaunlichen Begegnungen mit Fröschen, Entenküken und Schafen. „Die Kinder erfahren eine große Freiheit. Sie erleben die Natur mit allen Sinnen und ihre Entdeckerfreude wird jeden Tag aufs Neue geweckt“, sagt Birkenstock. Manche ängstliche Kinder seien anfangs nur an der Hand gelaufen. Sie waren es nicht gewohnt, dass der Boden hier nicht glatt und eben ist. Inzwischen sausten sie selbstbewusst über Wurzeln und den Waldboden. „Es ist irre, wie sich die Kinder auch motorisch entwickelt haben.“
Übers Padlet immer aktuell informiert
Und auch Amtsleiterin Lang, die für neun Kitas mit ganz unterschiedlichen Konzepten verantwortlich ist, bewertet das selbstbestimmte Lernen im Wald positiv. „Hier draußen bekommen sie ganz andere Impulse. Da kann das Lernen viel einfacher umgesetzt werden, auch das Erlernen von Sprache.“ Denn als Sprachkita trägt diese Einrichtung dafür eine besondere Verantwortung.
In der Kita selbst genießen es die Kinder, durch die halbe Besetzung mehr Platz zu haben. Oft vertiefen sie dann das Erlebte aus dem Wald, basteln Papierbienen zum Thema Honig oder entwerfen ein Schneckenmemory. Eltern können auf der tagesaktuell gepflegten, digitalen Pinnwand „Padlet“ stets nachverfolgen, welche Projekte drinnen und draußen gerade laufen.
„Heute haben wir Kröten gefunden!“
Eine Schar fröhlich plappernder Kinder in Matschklamotten berichtet von ihrem heutigen Erlebnis-Highlight.
Großer Raum in der Natur
Auch in Zukunft will die Kita Bienenschwarm die Nähe zur Natur beibehalten. Die Erzieherinnen und Erzieher sind mittlerweile topfit in Waldpädagogik, wissen, wie man Feuer schürt und Holunderblütensirup zubereitet. „Manche sagen mir, dass sie sich die Arbeit mit all dem Lärm und Trubel im vollbesetzten Haus gar nicht mehr vorstellen können“, so Birkenstock. Und wenn Kinder ihre Eltern am Wochenende stolz zu ihren Lieblingsplätzen auf dem Gelände führen, mache sie das richtig glücklich. Am Ende ist aus der Not also eine Tugend geworden. Durch den Platzmangel im Kita-Gebäude haben die Kinder den großen Raum in der Natur gewonnen, in dem ihre Entwicklung auf allen Ebenen gefördert wird.
Kita Bienenschwarm
Heinrich-Keidel-Straße 11
Michelstadt
Leiterin:
Heidi Birkenstock
Platz:
max. 100 Kinder, 3-6 Jahre
offenes Gruppenkonzept
Sprachkita
Betreuungszeiten:
7-17 Uhr