Ich mache es wie die anderen, schnappe mir eine Trage und nehme die erste
Erdbeerreihe in Angriff. Es ist eine lange Reihe. Und es wird nicht die einzige bleiben.

Ich bin Erntehelferin auf dem Erdbeerhof Münch in Groß-Umstadt. Weil ich einfach mal ausprobieren wollte, wie sich das anfühlt. Und weil ich Euch davon berichten möchte.

Die sind aber schnell!

Gebückt arbeiten wir uns vor. Wuscheln uns durch das taufrische, kalte Kraut. „Plop“, „plop“, „plop“ machen die Erdbeeren, wenn sie sich von ihren Stielen lösen. Natürlich naschen wir auch mal. Das ist ausdrücklich erlaubt. Ich zupfe, was das Zeug hält. Die Schälchen füllen sich. Ich bin schnell. Glaube ich wenigstens, bis ich hochschaue – und sehe, dass ich die Langsamste bin. Weit vorne zupfen die „echten“ Saisonarbeiterinnen aus Rumänien. Unsere kleine Amateurgruppe aus der Region – völlig abgehängt. Als wir endlich am Ende der Reihe angekommen sind, sitzen die rumänischen Damen längst plaudernd im Stroh und machen Brotzeit.

Rücken, Beine, Po

Meinen Rücken spüre ich schon in der zweiten Reihe. Es fällt mir immer schwerer, mich aufzurichten. In Hexenschuss-Position und breitbeinig bringe ich meine vollen Paletten zurück und hole mir neue. Eine nach der anderen. Der Lieferwagen pendelt pausenlos zwischen Feld und Hof. Von dort aus reist fruchtige Fracht gleich weiter zu den Märkten, Verkaufsstellen und Hofläden.

Die Sonne steigt höher und trocknet den Tau auf den Blättern. Aus einem Handy trällern rumänische Schnulzen. Die drei Frauen aus Thailand babbeln und lachen in ihrer Sprache. Daneben pflückt eine junge Polin. Sie ist der Liebe wegen nach Deutschland gekommen, jetzt will sie auch finanziell Fuß fassen. Chang aus China, immer chic gekleidet, macht das hier, weil sie sich mehr bewegen möchte. Und dann ist da noch Peppi, die einzige waschechte Hessin. Eigentlich arbeitet sie im Headoffice einer Hotelkette. In Kurzarbeit ist ihr jetzt langweilig. Anfangs waren wir noch mehr Helfer – doch einige sind gleich nach dem ersten Tag abgesprungen.

Schaffe ich das?

Ich gestehe: Nach meinem ersten Mal war ich mir auch nicht sicher, ob ich das alles schaffen würde. Drei Nächte hatte ich vor Schmerzen in den Beinen nicht schlafen können. Das war kein normaler Muskelkater mehr. Doch danach kam ich mehr und mehr in Form. Und wurde schneller: Inzwischen liege ich in der Pflück-Rangliste meist im hinteren Mittelfeld.

Kommunikation mit Händen und Füßen

Gerne würde ich die Helferinnen aus Rumänien fragen, wie sie zu Hause leben und wie es ihnen hier gefällt. Doch die Verständigung klappt nur mit Hand und Fuß. Auf dem Handy zeigen sie mir Fotos von ihren Familien, die auf sie warten. Doch anders geht es nicht. Ein normaler Verdienst, so verstehe ich, reicht in Rumänien kaum zum Leben aus.

Nach vier Stunden geht’s auf ein anderes Feld. Jetzt heißt es: Unkraut und Disteln harken. „Iarba mare“ lerne ich, heißt „großes Unkraut“ auf Rumänisch. Die Sonne brennt. Wir schwitzen und ackern. Gegenseitig helfen wir uns, die störrischen Wurzeln aus dem Boden zu ziehen, lachen dabei und fühlen uns trotz der Sprachbarrieren verbunden. „Gata!“ ruft Maria. Uff. Fertig! Feierabend! Wir sind erleichtert. Das war ein harter Tag. Trotzdem bin ich beschwingt, als ich mich auf den Heimweg mache. Und als ich Minuten später aufs Wohnzimmersofa falle, habe ich das Gefühl, gerade von einer Weltreise gekommen zu sein.

Epilog

Wenn ich nach einem Pflücktag abends im Bett liege, tanzen immer die gleichen Bilder vor meinem inneren Auge: Erdbeeren. Große, kleine, rechts, links, überall. Langsam schlummere ich ein, da kommt mir John Lennon in den Sinn. Bestimmt hat der sich nicht anders gefühlt, als er seinen Song „Strawberry Fields Forever“ schrieb.

Ab aufs Feld

Frische Erdbeeren – so schmeckt der Sommer! Direkt vom Feld genascht und gepflückt wird das Beerenglück perfekt. Neben Erdbeeren gibt es auch Himbeeren, Brombeeren oder Heidelbeeren auf den vielen Selbstpflückfeldern und Verkaufsständen der Region.

 

Erdbeerhof Münch, Groß-Umstadt
www.erdbeerhof-muench.de

Obstbau Geibel, Klein-Zimmern
www.obstbau-geibel.de

Bauernladen Benz, Darmstadt-Arheilgen
www.bauernladen-benz.de

Spargelhof Appel, Darmstadt
www.spargelhof-appel.de

Bioland Kapraun, Großostheim
www.bioland-kapraun.de

Bauer Würfl, Rodgau
www.bauer-wuerfl.de

Sandhof, Rodgau
www.sandhof-rodgau.de

Bauer Lipp, Weiterstadt
www.bauer-lipp.de

 

Ab Frühsommer unbedingt vorher informieren, ob noch Erdbeeren auf dem Feld sind!

Erdbeerhöfe in der Region