Ökologische Landwirtschaft von A bis Z

Oh, wie süß! Ein schwarzgelocktes Kälbchen steht auf der Weide und trinkt genüsslich am Euter seiner Mutter. Ein schönes Bild, das im Alltag allerdings immer seltener wird. Auf dem Hofgut Oberfeld am Rande von Darmstadt können Besucher solch innige Szenen aber regelmäßig beobachten. Das Demeter-zertifizierte Bürgerunternehmen hat sich ganz der ökologischen Landwirtschaft verschrieben. 40 Milchkühe grasen auf der Weide, solange es grünt, und die Kälbchen werden von ihren Müttern gesäugt, bis sie keine Milch mehr brauchen. „Das ist für die Kälber schön und für die Kühe auch“, sagt Thomas Goebel, Betriebsleiter und Vorstand der Landwirtschafts-AG.

Überhaupt läuft hier vieles anders als anderswo. Wer genau hinsieht, merkt, dass alle Kühe Hörner auf dem Kopf tragen. Das mag nur als kleines Detail erscheinen, ist laut Goebel aber viel mehr. „Die Hörner gehören zum Wesen der Tiere“. Sie seien wichtig für die Kommunikation in der Herde, fungierten als Wahrnehmungsorgan und sind schön warm von ständiger Durchblutung. Allerdings brauche man auch mehr Platz.

Und den haben die Tiere auf dem Oberfeld, davon können sich Familien bei einem Spaziergang über das weitläufige Gelände überzeugen. Durch ein großes Fenster im Kuhstall können Kinder das Treiben im Stall beobachten, mit den Eltern zu den Weiden laufen, unterwegs Hühner und Gänse beobachten – und anschließend im Hofcafé einkehren. Es werden auch regelmäßig Workshops und Kinderprogramme angeboten.

Wir sollten die Haltung an die Kühe anpassen, nicht die Kühe an die Haltung.

Thomas Goebel

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Molkerei-Geheimnisse

Sommerbutter schmeckt anders! Weil die Kühe im Sommer auf der Weide viel Grünfutter fressen, stecken in der Butter mehr ungesättigte Fettsäuren. Das macht sie streichfähiger. Weil auch mehr Carotin enthalten ist, ist Sommerbutter von der Farbe her gelber.

So funktioniert ein Bauernhof

Erdbeer, Schoko, Vanille oder Cappuccino – welcher Milchshake darf’s sein? Am Milchautomaten auf dem Karlshof bei Roßdorf haben Schleckermäuler die ganze Auswahl. Auch Rohmilch, die vor dem Verzehr abgekocht werden muss, können Besucher direkt vom Automaten zapfen. Auf dem Karlshof ist alles offen gestaltet. Besucher können tagsüber unangemeldet durch die Ställe schlendern, um Emma, Gretel und den insgesamt 300 Kühen Guten Tag zu sagen. An den Stalltüren informieren große Tafeln, was es wo zu sehen gibt. Und mittendrin hat die Familie Dörr sogar einen Spieleparcours für die Kleinen samt Barfußpfad, Melk-Attrappe, Heuburg und Traktor zum Probesitzen angelegt. Offenheit und Transparenz sind Landwirt Michael Dörr ganz wichtig. „Als wir vor 20 Jahren anfingen, Schulklassen zu uns einzuladen, haben wir gemerkt, dass viele Kinder so gar keine Ahnung von der Landwirtschaft hatten. Das fanden wir schade.“ Also bauten sie ihr Angebot aus, schnürten Programme für Gruppen und Kindergeburtstage. Bis zu 1500 Schulkinder kamen im Jahr auf den Hof. Individuelle Besucher sind willkommen. „Wir wollen, dass die Leute sich umschauen und sehen, wie Landwirtschaft funktioniert“, sagt Dörr.

Der Karlshof ist ein konventioneller, also kein Bio-Betrieb, Und doch werden Tierwohl und Nachhaltigkeit großgeschrieben. Die Ställe sind ausgesprochen hell und luftig, die Kühe können herumlaufen, fressen, sich hinlegen oder sich von einer der großen Bürsten den Rücken kratzen lassen. Für heiße Tage gibt es sogar eine Kuhdusche. Fotovoltaik-Anlagen auf den Stalldächern erzeugen Strom, genauso wie die Biogasanlage.

So einfach macht Ihr Butter!

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Füllt frische Sahne ca. 1 cm hoch (ca. 30 ml) in ein kleines Marmeladenglas und verschließt den Deckel gut.

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Schüttelt den Becker jetzt kräftig 3-5 Minuten lang, bis sich die Sahne in einen festen Teil – die Butter – und einen flüssigen Teil – die Buttermilch – getrennt hat. Diese könnt Ihr trinken und übrig bleibt leckere, frische Butter für Euer Butterbrot. Guten Appetit!

Määh auf der Ziegenfarm

Nicht nur muuh, sondern auch määh macht es auf dem Biohof Weiße Hube in Momart. Im beschaulichen Ortsteil von Bad König haben die Trumpfhellers 2016 ihren Betrieb zum Ziegenhof ausgebaut. Den bewirtschaften sie nicht nur ökologisch, sondern außerdem nach dem Konzept der sozialen Landwirtschaft. Menschen mit seelischer oder psychischer Beeinträchtigung arbeiten mit, pflegen und melken die rund 130 Ziegen. In der hofeigenen Käserei wird die Rohmilch zu leckeren Frischkäsen, Camembert, deftigem Tommé und einigen weiteren Käsesorten verarbeitet. „Wir käsen jeden zweiten Tag“, sagt Hans Trumpfheller. „Deshalb wird unsere Milch nie alt und hat nicht das starke Ziegen-Aroma, das manche als penetrant empfinden.“ Einen Nachteil habe Ziegenmilch allerdings, ergänzt Trumpfheller schmunzelnd: „Man kann allen möglichen Käse draus machen – nur keinen Kochkäs‘.“

Auch in Momart stehen die Stalltüren für Besucher offen, und wenn Hans Trumpfheller nicht gerade bei seinen Kühen oder Hühnern ist, erzählt er Neugierigen gerne von seinen struppigen Damen mit dem Bart. „Die Hexe ist mir von allen die liebste“, sagt er dann etwa, wenn er über den Kopf eines edlen, schwarzen Tiers streichelt. Eine richtige Diva sei sie. Ein bisschen zickig allerdings auch. „Aber das sind unsere Ziegen eigentlich alle.“

Unsere Käse sind auch sehr beliebt bei Kunden, die keine Kuhmilch vertragen.

Hans Trumpfheller

Drei ganz unterschiedliche Bauernhöfe. Die aber alle den Geschmack der Region in sich tragen. Die Lust machen auf Landexpeditionen unter dem Motto „Milch von hier“. Und die dazu einladen, einfach mal mit den Landwirten ins Gespräch zu kommen, die uns täglich frische, regionale Lebensmittel auf dem Tisch bringen.

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Wozu brauchen Kühe Hörner?

Zunächst einmal dies: Nicht nur die männlichen Bullen und Ochsen haben Hörner, sondern auch die weiblichen Kühe. Eigentlich. In der Regel werden die Tiere enthornt. Damit soll die Verletzungsgefahr im Stall reduziert werden. Kritiker sagen, dass die Hörner wichtig für das Sozialverhalten der Tiere sind. Außerdem leiden die Tiere möglicherweise noch lange Zeit nach dem Enthornen unter Schmerzen.

Hessische Milch- und Käsestraße

Eine Menge weiterer, tierisch schöner Ausflugstipps bietet die „Hessische Milch- und Käsestraße“. Die touristische Route zieht sich wie ein „weißer Faden“ durchs Land. Von der saftigen Wiese über das Euter und die Molkerei bis hin zum fertigen Handkäse zeichnet sie den ganzen Weg der Milch nach, führt zu Hofläden, urigen Gasthäusern und Ferienhöfen.

Die übersichtliche Karte zur Hessischen Milch- und Käsestraße und viele weitere Infos zur Milch und Material für Kinder können unter www.milchhessen.de heruntergeladen oder kostenfrei bestellt werden.

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Ein paar Milch-Fakten …

  • 2020 wurden in Deutschland rund 33 Millionen Tonnen Milch erzeugt.
  • Deutschland ist der größte Milcherzeuger in der EU. Fast die Hälfte der Milchprodukte werden exportiert, davon 84 Prozent in EU-Länder.
  • Es gibt immer weniger Landwirte, die Milchkühe halten. Gerade viele kleine Betriebe geben auf. In Hessen gibt es zurzeit 2.135 Bauernhöfe und insgesamt 121.760 Milchkühe.

Ferien auf dem Bauernhof

Warum denn nicht? Einfach mal ein paar Tage „Urlaub auf dem Bauernhof“ gleich hier bei uns verbringen! Besonders in und um Mossautal haben sich zahlreiche Höfe ganz auf Familienferien eingestellt. Einer davon ist der Kinderbauernhof Horn. Hier können Kinder dem Bauer beim Melken über die Schulter schauen, mit ihm auf dem Traktor übers Feld tuckern oder mithelfen, wenn die 80 Milchkühe morgens auf die Weide getrieben werden. „Naja, eigentlich laufen die da fast alleine hoch, die kennen ihren Weg“, lacht Landwirtin Katharina Horn. „Manchmal trödeln die Damen halt ein bisschen, wenn sie was am Wegrand entdecken“. Dass die Kühe auf die Weide dürfen, ist ihr aber wichtig. „Wir wollen, dass die Kuh bei uns Kuh sein darf.“

Direktvermarktung als Chance

Bauernhofurlaub, Hofladen und Milchautomat – für die Milchbauern sind dies willkommene zusätzliche Einnahmequellen. Denn der Preis, den die Molkereien heute zahlen, ist so niedrig, dass sich die Arbeit für viele kaum mehr lohnt. Auf Direktvermarktung setzt etwa das Hofgut Oberfeld: Die 180.000 Liter Milch, die es jährlich verarbeitet, gehen größtenteils als Trinkmilch, Joghurt oder Käse über die Hofladentheke – oder werden als Käsekuchen und Latte Macchiato im Hofcafé serviert. Michael Dörr vom Karlshof sagt, seine Milchtankstelle funktioniere ganz gut. „Allerdings würden wir gerne noch mehr darüber vermarkten.“ Ein Liter Rohmilch kostet bei ihm gerade mal einen Euro. „Trotzdem haben wir immer wieder Kunden, die fragen, warum die Milch am Automaten so teuer ist.“

Unter dem niedrigen Marktpreis für Milch leiden Bio-Bauern übrigens genauso wie konventionelle Landwirte. „Bio-Produkte sind noch zu billig“ weiß Hans Trumpfheller, der nicht nur Ziegenfarmer, sondern auch Kreislandwirt ist. Dass sie in den Discountern zum Teil verramscht würden, stört ihn. Das Problem sei aber auch dies: „Das Mehr an Nachhaltigkeit wird von der Gesellschaft nicht gezahlt.“

Eine Kuh …

  • gibt im Durchschnitt 27 Liter Milch pro Tag. Bio-Kühe geben etwa ein Drittel weniger.
  • erzeugt jedes Jahr rund 8.250 kg Milch
  • nimmt täglich bis zu 50 Kilogramm Futter zu sich und trinkt rund 150 Liter Wasser

Schritte für mehr Bio

Die Ökomodellregion Süd, der auch der Landkreis Darmstadt-Dieburg und der Odenwaldkreis angehören, will dahingehend einen Bewusstseinswandel anstoßen und den ökologischen Landbau vor Ort stärken. Um mehr Milchbauern für eine Umstellung auf „Bio“ zu motivieren, bräuchte es laut Projektmanager Robert von Klitzing mehr Kapazitäten, um Biomilch vor Ort zu verarbeiten – sprich: eine Bio-Molkerei. „Außerdem extrem wichtig ist das wachsende Bewusstsein aller Konsumentinnen und Konsumenten dafür, dass eine tier- und umweltgerechte Erzeugung auch preislich zu honorieren ist.“ Die Ökomodellregion hat eine Videoreihe produziert, die interessante Einblicke in den Alltag von Biolandwirten in der Region ermöglicht. Unter dem Titel „Schritte für mehr Bio“ oder „Bio-Milch aus Südhessen“ können die Beiträge auf YouTube online abgerufen werden.

Was bekommt ein Bauer für seine Milch?

Im Jahr 2022 erhielten Landwirte durchschnittlich rund 53 Cent für ein Kilogramm Milch, was grob einem Liter Milch entspricht. Für Biomilch waren es im Schnitt knapp 58 Cent.

So kommen die Löcher in den Käse

Vom Gras, das die Kuh frisst, bis zum fertigen Käse ist es also ein langer Weg. Doch mit dem Käse ist unsere Geschichte noch längst nicht zu Ende! Denn nun kommt Klaus Wolf vom Odenwälder Käsekeller ins Spiel. Der Käse-Sommelier hat sich auf das „Affinieren“ – also das Verfeinern – von Käse spezialisiert. Oder, in anderen Worten: Er ist der Mann, der die Löcher in den Käse bohrt. Ja, tatsächlich! Für seine Produktionsstätte in Otzberg-Lengfeld hat er sich eigens eine Maschine konstruieren lassen, die mit dicken Bohrern ausgestattet ist. In jeden Käselaib bohrt sie genau 48 Löcher. Und die befüllt er anschließend mit Feigen-Dijonsenf, oder Gebirgspesto. Würzige Käseräder ummantelt er mit einer essbaren Himbeer-Senf-Rinde, kleidet sie in Holunderblüten oder feuriges Chili.

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Aus 22 Litern Milch

gewinnt man …
5 Päckchen Butter oder 22 kg Joghurt oder 2,2 kg Käse

Milch- und Hofadressen in der Region

Erleben, schmecken und entdecken

Regelmäßig Workshops und Kinderprogramme. Besucher können jederzeit Blicke in den Stall werfen. Hofcafé. Hofladen mit zahlreichen Produkten aus der eigenen Hofkäserei.

www.lernort-oberfeld.de
www.landwirtschaft-oberfeld.de

Besucher sind auf dem Hof und im Q-Spielgarten täglich von 11 bis 19 Uhr willkommen. Einkaufen an der Milchtankstelle und am Verkaufsautomat mit regionalen Produkten täglich von 5-22 Uhr.

www.Q-land.de

Milch- und Käsespezialitäten sowie Bio-Eier im Hofladen. Es darf gerne ein Blick in den Ziegenstall geworfen werden. Führungen für Schulklassen möglich.

www.weisse-hube.de

Einkehren und Einkaufen

40 ausgefallene Käsespezialitäten vom Käse-Sommelier
Verkauf in der Richerstraße 5
64823 Groß-Umstadt

Öffnungszeiten
Do + Fr 16.00-19.00 Uhr
www.odw-kaesekeller.de

Milchprodukte, Gemüse, Obst und Hausgemachtes. Stallbesichtigung nach Vereinbarung

Tel. (06154) 69 52 26

Milch, Eier von eigenen Hühnern und wechselnde Produkte rund um die Uhr vom Milchhäuschen.

Tel. (06163) 81 96 79
www.facebook.com/swolfsmilch

Betrieb wirtschaftet nach Biokreis-Richtlinien.
Bio-Milch vom Automaten
Für Bio-Fleisch, Bio-Eier, Apfelsaft und Wurst an der Haustür klingeln!

www.hardthof-odenwald.de

Langenbrücker Weg 8
Milchautomat, Hofladen mit Produkten aus eigener Herstellung, samstags Hofcafé. Stallbesichtigung nach Vereinbarung.

Tel. 06073 / 68 76 67

Ab an die Milchtanke! Hier darf selbst gezapft werden.

Gehringstraße 27
64395 Brensbach-Wallbach

Lindenhof 1
64853 Otzberg-Habitzheim (kurz vor dem Ortseingang Semd)

Kastellstraße 1
64739 Höchst-Dusenbach

Bismarckstr. 58
64739 Höchst

Langenbrücker Weg 8
64832 Babenhausen
www.milchtankstelle-babenhausen.de

Urlaub auf dem Bauernhof
Einen guten Überblick über tierisch schöne Familienferienziele im Odenwald gibt die Broschüre „Bauernhof- und Landurlaub im Odenwald“. Infos und kostenfreie Bestellung unter www.urlaubsring-odenwald.de

Was bedeutet eigentlich …

Weidemilch?
Milch von Kühen, die im Laufe des Jahres an mindestens 120 Tagen mindestens sechs Stunden auf der Weide waren.

Heumilch?
Wenn die Kühe im Frühjahr und Sommer das fressen, was auf der Weide wächst. Im Winter werden sie mit Heu versorgt, zum Teil angereichert mit Getreide oder Futterrüben. Futter aus Silage ist nicht erlaubt.

H-Milch?
Diese Milch wird auf 135 Grad Celsius ultrahocherhitzt und ist dadurch ungeöffnet auch ohne Kühlung haltbar. Sie enthält aber nicht mehr so viele Vitamine wie frische Milch.

Pasteurisieren?
Dabei wird die Milch kurzzeitig auf 72 bis 75 Grad erhitzt, um Mikroorganismen und Keime abzutöten. Die Milch wird dadurch auch länger haltbar.

Homogenisieren?
Die Fettkügelchen in der Milch werden unter hohem Druck zerkleinert. So können sie nicht an die Oberfläche steigen und es bildet sich kein Rahm auf der Milch.

VIP-Geflüster

Hast du gewusst, dass es eine hessische Milchkönigin gibt? Sie heißt Sophia Schäfer und sie regiert von 2023 bis 2025.